GWW-Geschäftsführer Christian Zeigermann will es zeigen:
Wohnen im Plattenbau kann sehr schön sein

 

Abitur in Braunschweig, Maurerausbildung in Halle, Architekturstudium in Dessau, Projektsteuerer bei einer Schweizer Firma, Planer
in der Hallenser Stadtverwaltung, von da zur Wohnungsgesellschaft in Halle ins Wohnungsmanagement, später Abteilungsleiter Bau, zurück ins städtische Bauamt als Schulbaukoordinator, und seit 1.Januar 2020 Geschäftsführer der Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft Wernigerode GWW. Das ist die Laufbahn von Christian Zeigermann.

 

Ein Mann mit weitem Horizont und riesigem Erfahrungsschatz, mit Neugier auf eine Stadt, die er bis dahin nur als Urlauber er- lebt hatte. Er kam mit dem freien, neutralen Blick, sah Dinge anders und erkannte beispielsweise sofort, dass es ein Fehler wäre, den unsanierten Block Nr. 22 bis 25 im Walther-Grosse-Ring abzureißen, was schon genehmigt war. Stattdessen wird dieser Block mit dem Vorzug leer zustehen nun zu einem Mehrgenerationenhaus mit Aufzug und neuen Wohnungszuschnitten entwickelt. Hier sollen sich Familien mit Kindern wie auch ältere Menschen wohlfühlen. Zeigermann stellt sich vor, dass die Älteren mal die Kinder der Nachbarn hüten und die Jüngeren ihnen mit Einkäufen helfen könnten. Zum Beispiel.

 

Wenn man ihn reden hört, klingt es immer wieder durch: Er möchte Verhältnisse schaffen, unter denen Menschen zusammenfinden, sich gegenseitig bereichern. Das ist sein Wunsch, vielleicht aber auch nur eine Idealvorstellung; sie passt aber durchaus zu dem freundlichen, zugewandten Naturell des Mannes. Er war gerade dabei, sich in seine neue Aufgabe einzuarbeiten und mit den Mitarbeitern vertraut zu machen, da schlug das Coronavirus zu. Noch gar nicht ganz „zu Hause“ am neuen Arbeitsplatz, drängten ihn die Bestimmungen zeitweise bald wieder wirklich nach Hause, nach Landsberg bei Halle, um von ferne die Geschäfte zu dirigieren. Gleich zu Beginn also der Härtetest. Die Umstellung auf Online-Betrieb gelang dank flexibler Mitarbeiter recht reibungslos, viele Besprechungen ließen sich auf diese Weise ebenso gut machen, und Pläne, um die es ging, konnten eingeblendet werden. Nur dass eben das gewisse Etwas der direkten Ansprache und des Augenkontaktes fehlte. Für die Wohnungsvermietung schaffte die GWW eine 360-Grad Kamera an. Jede frei werdende Wohnung wird nun gescannt, ins Internet gestellt und kann ohne Verabredung vor Ort betrachtet werden. Interessant ist das vor allem für jüngere Leute, aber auch für auswärtige Mietinteressenten. Stehen aber direkte Vor-Ort-Termine an, dann wird die Wohnung erst durchgelüftet, ehe sie besichtigt werden darf. Etwa ein Viertel des Wohnungsbestandes verwaltet die städtische Wohnungsgesellschaft, ebenso viele, ungefähr 3 000, die Wohnungsgenossenschaft. Längerer Wohnungsleerstand ist in Wernigerode kaum bekannt, und die Mietschuldner – auch das ein interessanter Fakt – machen weniger als ein Prozent aus. Mit der energetischen Sanierung der Wohnblocks wird eine Differenzierung angestrebt: Vom Arbeitslosengeld-II-Empfänger bis zum Professor soll jeder seine Wohnung finden. Für den schmalen Geldbeutel werden die Blocks isoliert, mit neuen Fenstern und schönen Fassaden, Eingangsbereichen und Fluren versehen, aber an den Wohnungszuschnitten ändert sich nichts. So sollen die Mieten trotz der Sanierung im Rahmen bleiben, und durch die Wärmedämmung der Außenwände können die Mieter Heizkosten sparen.

 

Andererseits will Christian Zeigermann durchaus auch Mietern mit gehobenem Anspruch gerecht werden, eben Professoren & Co., die vielleicht noch kein Wohneigentum gefunden haben oder nicht vor- haben, für längere Zeit im Harz zu bleiben. Oder die einfach gut mieten wollen, aber nicht ans Kaufen denken. Für diese Klientel ist mit der preisgekrönten „Welle“ bereits der Anfang gemacht. Und dann sind da noch die Mieter, die bis ins Alter ihre Wohnung behalten möchten, selbst wenn sie im fünften Stock wohnen. Da sind Fahrstühle und veränderte Grundrisse mit altersgerechten Bädern Sanierungsstandard. Zum guten Wohnen gehört für Christian Zeigermann auch ein gutes Wohnumfeld. Da setzt er nicht auf Klein-klein, sondern hat eine Landschaftsarchitektin engagiert, die Lösungen für alle drei Wohngebiete erarbeitet, für die Blockzeilen in der Burgbreite, die riesigen Innenhöfe der Stadtfeld-Blöcke und für den Harzblick, der von allem etwas aufweist. Es soll mehr geben als die grauen Plattenfassaden und die im Sommer vertrockneten braunen Rasenflächen. Stück für Stück, auf mehrere Jahre verteilt, wird ein großer Masterplan umgesetzt. Oberstes Ziel für Zeigermann: das Miteinander der Bewohner zu er- möglichen. Da sind Anbauflächen für Gemüse eine Option. Auch Kin- der könnten sich hier betätigen und lernen, dass die Mohrrüben in der Kaufhalle nicht in den Plastebehältern gewachsen sind, in denen man sie kauft. Die großen Innenhöfe werden dann in einzelne kleinere Bereiche aufgeteilt sein: als Kinderspielplätze, als Sportanlagen wie z. B. Tischtennisplatten für die Größeren, vielleicht gibt es auch einen Grill- platz und eine gemütliche Seniorensitzecke. Auch in- sektenfreundliche Blühflächen werden mit Sicherheit angelegt. Gegen sommertrockene Rasenflächen helfen Rigolen, schmale, meist unterirdische Rinnen, in die das Regenwasser von den Dächern eingeleitet wird. Das versickert dann langsam und speist alles in seiner Umgebung. Bäume, die an solchen Rigolen angepflanzt werden, bringen als Sauerstoffspender und teilweise als Giftstoffschlucker den größten Effekt.

 

Die Bewohner sollen die „Platte“ vergessen, in der sie nun mal wohnen. Ihren Schmuddel-Leumund haben die Wernigeröder Neubaugebiete aus den 70er und 80er Jahren wohl schon länger hinter sich gelassen, jetzt sollen sie auch noch richtig anziehend wer- den. Zeigermann will den Orten eine Identität geben. Kunst am Bau und besondere Gestaltungselemente sollen die Blocks unverwechselbar machen. Die Plattenbauten sind nur eines von vielen Themen, die den GWW-Geschäftsführer umtreiben. Ein anderes, geradezu aufregendes: der europäische Architekturwettbewerb „Europan“. Die GWW hat sich daran beteiligt und bietet zur Planung für Wohnquartiere eine Fläche am Veckenstedter Weg und eine am Gießerweg an. Unter mehr als 200 Teilnehmern aus ganz Europa ist Wernigerode mit 35 interessierten Planungsbüros die fünfterfolgreichste Stadt, und noch dazu als einzige ostdeutsche Stadt!
Madrid und Barcelona haben zusammen nicht so viele Interessenten wie unsere Stadt, eine Freude für Christian Zeigermann. Ein
bisschen führt er das auch darauf zurück, dass Wernigerodes Internetpräsentation etwas Einzigartiges hatte: Der Oberbürgermeister der
Stadt persönlich leitete sie mit einem Gedicht ein! Als Schwerpunkte auch für diese Bebauung sieht er das Mehrgenerationenthema ebenso wie die Schaffung von Begegnungsorten. Die möchte er in den Entwürfen wiederfinden, aber ebenso ganz neue Ideen und Lösungen für eine, so das Motto, „living city“, eine lebendige Stadt. „Mutter und Töchter“ – ein Wortpaar, das Zeigermann oft im Munde führt.

 

Seine GWW ist ja eine hundertprozentige Tochter der Stadt, deshalb findet er es auch ganz folgerichtig, dass seine Gesellschaft den Neubau der neuen Franckeschule in Hasserode über- nimmt und ihn danach der „Mutter“ übergibt. Und den Neubau zieht er auch allemal der Sanierung vor. Denn die Grundrisse im alten Gebäude lassen sich aus Gründen der Statik nicht beliebig verändern, und für moderne pädagogische Konzepte braucht es größere Räume. Und man kann ökologisch bauen. Unterm Strich wiegen die Vorteile die Mehrkosten auf. Synergien möchte er auch zwischen den Tochtergesellschaften herstellen. Ausgangspunkt dafür ist ein Plan der GWW für die nächsten fünf Jahre als Leitfaden für die Stadt, den Stadtrat und auch für die Tochtergesellschaften. So könnten die Stadtwerke, wenn ein Komplex mit mehreren Wohnhäusern entsteht, eine Fernwärmeleitung planen oder die Stadt eine Straßenreparatur vorziehen, wo sich eine Anzahl neuer Bewohner ansiedelt. Zur Zeit steht er mit einer seiner „Schwestern“, den Wernigeröder Stadtwerken, in Verhandlungen über Photovoltaikanlagen auf den Wohnblocks der GWW, denen in Zeiten des Klimawandels Erfolg zu wünschen ist. „Trotz unseres Planes denke ich nicht im Fünfjahresrhythmus“, versichert Zeigermann. „Ich habe eher einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren im Blick. Meinem Nachfolger möchte ich eine gesunde Basis hinterlassen.“ Bis dahin wird aber hoffentlich noch eine Menge Wasser die Holtemme hinabfließen.

 

Quelle: Neue Wernigeröder Zeitung, 18.08.2021